Mein allererstes Posting hier
Seit etwa 2 Jahren lebe ich in der Schweiz. Bin eishockey-begeistert und war in Deutschland sowas wie ein "Insider" und einige Jahre auch Offizieller. Als ich hier ankam, suchte ich mir einen Club, zu dem ich öfters mal gehe ... und entschied mich für Rappi. Die Stimmung im Hallenstadion verdient diese Bezeichnung nicht, bei den Fliegern gibts wahrlich gute Cracks, aber ich wollte lieber mit einem "aufstrebenden" Club mitfiebern. Zuerst noch das: In der NLA wird toller Sport geboten und ich ziehe den Hut davor, dass hier so viele Eidgenossen Eiszeit haben. Das ist vieeel sympathischer, als in der DEL, wo mehr Masse, aber weniger Klasse an Ausländern zu finden ist. Auch bei den Lakers habe ich tolle Spiele gesehen und ich glaube an die Zukunft von Rappi. Und jetzt zum Thema
Hoi zäme
Mir fällt auf - aber das ist fast überall gleich - dass sich im Internet viele äussern (und verstecken)... und die (Eishockey-)Welt ein bisschen zu einfach nehmen. Ihr müsstet mal eine Woche in einer Geschäftsstelle sitzen oder ein Praktikum machen ... es ist ein Knochenjob, ein sehr schöner, aber auch riskanter ... und verrückter. Natürlich kann man auf dem Papier Kader zusammenstellen, aber es gibt wichtigere Faktoren, als Scorerpunkte oder Errungenschaften aus der Vergangenheit.
Ein Team steht und fällt mit der Einstellung, mit der Motivation. Ich glaube - bin aber nur Beobachter! - dass einige Spieler schon kurz nach dem SpenglerCup den KnockOut erhielten, d.h. an die Chance, die Playoffs zu erreichen, nicht mehr glauben konnten. Da ging es doch vielen Fans auch nicht anders. Wenn ein Ziel fehlt (oder für einige Zeit ausser Reichweite gerät), sinkt die Motivation, keiner fightet mehr um jeden Preis. Just do your job ist die Devise. Rappi braucht Ziele (jetzt haben "wir" ja eines: Nichtabstieg) und die Chance, sie zu erreichen (nächste Jahre, so Gott will: Playoffs und mehr). Spieler brauchen Spass, um den inneren Schweinehund rauszuholen - so wie wir bei unserem Job auch. Würdet ihr mit Gaudi zur Arbeit gehen, ohne dass der Chef zahlt? Oder wenn er nur rummault und "auf Melmac lebt", Euch Kollegen zur Seite stellt, die überfordert sind? In Deutschland hatten viele Cracks keinen Spass mehr, weil ihr Lohn nicht überwiesen wurde - und fingen sich dann 21 Gegentore in drei Spielen ein. Gottseidank ist das in der Schweiz anders. In Rappi ist der Spass verloren gegangen wegen des Misserfolgs.
Ohne Spass geht nichts. Ohne Spass kein Einsatz, kein Fight.
Und das ist im Eishockey tödlich. Dieser Sport lebt vom Fight (damit meine ich nicht den Faustkampf, sondern), vom Einsatz. Der beste Spieler kommt eine Zehntelsekunde zu spät, wenn er frustriert ist - eben zu spät. Beispiel Pittis vom Z. Der lebt vom "Bulldozer"-sein, vom Einsatz, man könnte meinen, der Typ schwitzt Blut... zurück zum Thema.
Eishockey erlebte vor einigen Jahren einen Radikal-Umbruch - früher hatten wir unsere Freude an rigorosen Verteidigern, die erst den Mann abgeräumt haben, damit der Partner den Puck aufnimmt. Solche "physischen Bolzen" sind heute nicht mehr die wichtigsten. Jetzt entscheidet Spritzigkeit, Schnelligkeit, die Technik (schlittschuh- und stocktechnisch) - das Spiel hat sich vom körperbetonten wegentwickelt. Nicht falsch verstehen: Auch jetzt braucht es Körpereinsatz ... und Einschüchterung funktioniert immer noch. Doch heute entscheiden die Könner den Match: Diejenigen, die den Puck zentimetergenau ins Netz dreschen, die unter Bedrängnis sich spielerisch befreien und haarscharfe Pässe spielen und annehmen können.
Und natürlich die Torhüter... Noch mehr als vor fünf Jahren.
Damit wären wir bei Rappi. Es ist bei einigen Genialität erkennbar und so blöd es klingt, in der Mannschaft steckt mehr Potenzial als Platz 10 - aber vieles ist zu viel "Handwerk". Als neutraler Beobachter habe ich diese Meinung:
Die Verteidigung braucht zwei technisch begnadete Cracks, die im Spielaufbau schnell, geradlinig und "perfekt" initiieren ... und in den Specialteams draufhalten. Die Stürmer müssen sich zu viele Scheiben selbst holen, anstatt sich zur blauen Linie zu bewegen und Druck erzeugen zu können, damit die Eisfläche offener wird. Ihr haut verbal auf Lindström ein - was ich nicht immer verstehe, denn er ist eher ein stay-at-home-Typ. Allerdings, im Vergleich zu anderen Teams fehlt ein Kracher hinten.
Im Sturm hat Rappi Scorer, die trotz des Tabellenstandes in der Scorerliste weit oben stehen. Ihre Genialität muss kombiniert werden mit mehr Spielfreude, die aber verständlicherweise momentan nicht vorhanden ist. Die Zugänge für nächste Saison versprechen doch wirklich viel ... so die Kerle denn auch menschlich in Ordnung sind. Nochwas zu Nordgren: Sehr kompakter Spieler, korrekt und technisch beschlagen. Er ist ein Topspieler hier ... in einem euphorisierten Team, das seinem Ziel nahe ist und in dem er Mitspieler auf seinem Niveau hat, wäre er ein Eishockeygott.
Über die Goalies ist hier viel zu lesen ... und leider muss ich vielen Recht geben. Clubs in Deutschland (aber da gibts auch mehr Ausländerplätze) haben sich für gute ausländische Goalies entschieden, weil hinter den vier fünf guten Deutschen halt schon ein Bruch erkennbar war. Ähnlich ist es in der Schweiz. Sicher leben die Goalies von einer guten Abwehr, doch noch viiiiel mehr eine Abwehr von seinem Goalie ... und natürlich von einer inneren seelischen Ruhe, trotz Dauerstrom. Gute Goalies sind mentale Eisblöcke. Angst hemmt. Solche Eisblöcke fehlen bei einigen Clubs in der NLA. Wäre Frankfurt ohne Ian Gordon Meister geworden? Niemals. In Köln war Rogles ein Hexer, Mann oh Mann war Rosati ein genialer Goalie, selbst in Liga 2 gab's brutal starke ausländische Torhüter - ich wage die Behauptung: Bessere als einige Goalies der NLA. Hier fallen verdammt viele Tore durch Goaliefehler, nicht nur bei den Lakers. Rappi sollte überlegen, einen zu verpflichten für die nächste Saison (oder schon jetzt? - das wäre wohl die Rettung). Schwere Entscheidung, vielleicht auch menschlich schwer. Aber es geht um sehr viel. Um zu viel, find ich.
Sicher hat Summanen da ein Konzept. Apropos Summanen. Ich arbeitete mal mit einem finnischen Trainer zusammen und fragte den natürlich gleich nach Raimo. Oh, oh, da gibt es Episoden... Und dennoch: Auch ein Trainer lernt aus Erfahrung. Und die Zeiten haben sich geändert. Es ist gut, dass er Autorität ausstrahlt. Ein kumpelhafter Coach hat im Eishockeysport keine Chance. Gott sei dank ist er keiner. Aber einen Machtkampf mit "seinen" Spielern wird er auch nicht mehr proben. Hat er nicht nötig. Er hat eine Aura und ist "natürlicher" Chef. Mich würde es überraschen, wenn es Skandale gibt. Wenns läuft und der Lohn eingefahren wird für Disziplin, dann folgt ihm die Mannschaft. Wer aussteigt, weil Summanen kommt oder mit ihm nicht klarkommt, der will einen auf "just-do-my-job" machen. Und auf solche kann man eh verzichten. Hockey is passion, is coolest game on earth.
Deshalb mein Statement zum Schluss: Drückt die Daumen, dass das Team sich zusammenreisst und den Worst Case verhindert. Am Personal ist derzeit nicht viel veränderbar, sondern eher an der Moral, am Einsatz, am Selbstvertrauen.
Steht auf ... geht jetzt durch dieses Tal. Es bleibt uns doch eh nichts anderes übrig.
Ich hoffe, dass ich mich richtig entschieden hab - für die Lakers. Was heisst hoffen? Ich glaube daran und werde sie weiter unterstützen. Hab schon Schlimmeres erlebt, als das Verpassen der Playoffs

und hoffe, dass ich Euch Mut gemacht hab.