SC Rapperswil-Jona hat geschrieben:
Beitrag vom 18.04.2020 11:54
Die aktuellen Entwicklungen und Ideen der beiden höchsten Ligen bereiten mir Sorgenfalten und lassen mich an der Mündigkeit einiger Sportmanager und CEO's ernsthaft zweifeln.
1. Das Transferabkommung mit der NHL
Ein Abkommen mit der NHL macht durchaus Sinn. Stand heute erhalten Teams, die einen Spieler nach Übersee verlieren, keinen Rappen. Die Entschädigungszahlung von CHF 250k ist zwar angesichts der exorbitanten CH-Löhne lediglich ein Tropfen auf den heissen Stein, aber trotzdem besser als gar nichts.
Weshalb diese Vereinbarung nur im Kuhhandel mit einer absurden und undurchdachten Ausländerregel zur Abstimmung gebracht werden soll, erschliesst sich mir beim besten Willen nicht. Schlussendlich werden dadurch fast auschliesslich die Grossclubs profitieren. Spannend wäre eine Aufstellung mit allen Spieler (inkl. betroffenem Club), die trotz laufenden/gültigem Vertrag in der Schweiz nach Nordamerika abgewandert sind (falls jemand Zeit hat). Ich behaupte, dass davon vorallem finanzstarke Teams betroffen waren. Die einzige Ausnahme dürfte Ambri mit Fora gewesen sein. Dieser kam aber im Verlauf der Saison wieder zurück.
Mit der angekündigten Ausländerregel würde sich die Schere zwischen den Top-5-Clubs und dem Rest der Liga noch weiter öffnen. Man stelle sich vor Langnau, Ambri oder Rappi spielt nächste Saison mit 4 Ausländer gegen ein ZSC, EVZ oder SCB mit 5, 6 oder gar 7 Ausländer. Das kann doch nicht ernsthaft im Interesse einer spannenden und ausgeglichenen Liga sein? Und wie sieht es aus, wenn ein NLA-Ausländer von der NHL abgeworben wird? Kann man ihn dann mit 2 Ausländer ersetzen?
Auch wenn uns die Medien etwas anderes vorgauckeln wollen und immer von der ausgeglichensten Liga seit eh und je fabulieren, haben wir seit 1998 (seit sage und schreibe 21 Jahren!) lediglich 4 verschiedene Meister gesehen. Vielleicht ist die Qualifikation etwas ausgeglichener als auch schon, aber wenn es dann wirklich um die Wurst geht (Playoffs) setzten sich immer die gleichen Teams durch. Eigentlich sollte man mit aller Macht versuchen die Liga wirklich ausgeglichener zu machen und anderen Teams eine Möglichkeit (nicht nur theoretisch) geben Meister zu werden. Z.B. mit einem Salary-Cap (schwierig aber nicht unmöglich), Lohnobergrenze pro Spieler, zusätzlicher Ausländer für alle Playout-Teams, Ausgleichszahlungen, etc. Schlussendlich würde der Sport davon profitieren und die Liga würde für alle Zuschauer viel spannender werden. Die Entwicklungen gehen aber leider genau in die entgegengesetze Richtung...
2. Nicht-Abstieg NLA
Damit zum zweiten Punkt. Ich lese von diversen Clubvertreter und Medienschaffenden immer wieder das Wort "Planungssicherheit" im Zusammenhang mit der NLA und Sport im Allgemeinen. Wenn diese Exponenten absolute Planungssicherheit wünschen, sollten sie vielleicht einen Berufswechsel in Betracht ziehen. Bei einer Behörde gibt es sicher sehr hohe Planungssicherheit, aber der Sport ist per se oft unberechenbar und nicht planbar. Aber genau aus diesem Grund zieht er auch rund um den Globus so viele Menschen in seinen Bann. Was die Zuschauer sehen möchten sind unmöglich geglaubte Comebacks und Überraschungen, Spektakel, unerwartete Meisterfeiern, Underdog-Cupsiege, überschwängliche Aufstiegseuphorie und himmeltrauriges Abstiegsleid und nicht für zig Jahre dieselben übersättigten Meister, langweilige Spiele oder goldene Ananas-(Platzierungs-)Spiele, da es keinen Aufsteiger oder Absteiger gibt.
Der aktuelle Versuch den Sport plan- und berechenbar zu machen, ist der Vorstoss für den Nicht-Abstieg. Begründet wird er damit, dass man in dieser schwierigen Zeit Sicherheit brauche und Panik-Transfers und Überschuldungen von Playout-Teams verhindern möchte.
Man könnte jetzt sagen, als Rappi-Fan würden wir ja von dieser Regeländerung profitieren. Aber wenn man das Ganze etwas genauer betrachtet, stellt man schnell fest, dass insbesondere wir, aber auch die meisten anderen Teams und die ganze NLA bei einem Nichtabstieg verlieren würde:
a) für alle Teams ab Platz 9, ist die Saison spätestens nach der Quali gelaufen = massive Einbussen im Ticketing, Gurkenspiele. Wer möchte sich schon ein Spiel ohne jegliche sportliche Relevanz anschauen? Vorallem betroffen (Rappi, Langnau, Ambri, Genf, Fribourg, aber oft auch mind. ein Grossclub pro Saison)
b) Um die laufendnen Kosten zu senken würden abgeschlagene Teams sehr wahrscheinlich schon früh beginnen, teure Spieler loszuwerden. Dadurch würden die verbleibenden Spiele noch mehr zur Farce und die Meisterschaft verfälscht werden. Solche Verhältnisse sind kein Hirngespinst sondern gehören in diversen geschlossenen Ligen bereits zum guten Ton.
c) Ohne sportlichen Konsequenzen werden Organisation unvernünftiger wirtschaften, was früher oder später zu Konkursen führen wird.
d) Die Möglichkeit sportlich und wirtschaflich in der NLB zu gesunden wird genommen. Beste Beispiele dass ein sportlicher Abstieg ein Segen sein kann, sind mittlerweile genügend vorhanden (Rappi, Langnau, Biel).
3. Ligaaufstockung NLA
Anscheinend würde die NLB dem Nicht-Abstieg zustimmen, wenn es im Gegenzug einen Direktaufsteiger in die NLA geben dürfte. Wie genau da eine Mehrheit zu Stande kam, erschliess sich mir auf den ersten Blick irgendwie nicht. Im Sinne einer spannenden und gesunden NLB wäre dieser Vorstoss jedenfalls nicht. Durch eine Aufstockung der NLA auf 13 oder sogar 14 Teams würde die NLB ihre zwei stärksten Clubs und Zuschauermagnete verlieren (sehr wahrscheinlich Kloten, Olten oder evtl. Visp). Wenn man aber die Einzelinteressen der NLB-Teams genauer unter die Lupe nimmt, wird einem aber schnell klar weshalb dieser Vorstoss durchkommen könnte:
Pro-Fraktion:
a) Aufstiegs-Profiteure: Kloten, Olten, Visp = 6 Ja-Stimmen
b) Geschlossene NLB-Profiteure: Academy, GCK, Rockets, Sierre, (Winterthur) = 10 evtl. 8 Ja-Stimmen
Contra-Fraktion:
Verlierer: Ajoie, Langenthal, Thurgau, Chaux-de-Fonds, (Winterthur) = 8 evtl. 10 Ja-Stimmen
Total Pro: 16 (14) Stimmen
Total Contra: 8 (10) Stimmen
Leider sind die Teams die im Sinne der NLB eintscheiden dürften mittlerweile in Unterzahl. Da haben die NLA-Vertreter mit ihren Farmteam-Geschwüren ganze Arbeit geleistet.
4. Ligaaufstockung NLB und Nicht-Abstieg
Wenn die NLA auf 13 oder sogar 14 Teams augestockt werden würde, bräuchte die NLB im Gegenzug mindestens 1 oder 2 neue Teams um einen sinnvollen Spielbetrieb sicherstellen zu können. Dies würde bedeuten, dass es höchtswahrscheinlich für einige Jahre auch keinen Absteiger geben würde. Die Farmteams hätten dadurch für weitere Jahre einen Freifahrtsschein, wodurch die Liga zusätzlich an Attraktivität verlieren dürfte.
Fazit:
Leider zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Club-Vertreter nicht fähig sind im Sinne des Sports, ausgeglichenen und spannenden Ligen sowie sportlich fairen Bedingungen zu entscheiden. Jeder Club schaut nur auf seine Eigeninteressen. Durch die Farmteams wurden die Stimm- und Machtverhältnisse in den beiden Ligen in eine gefährliche Richtung verschoben.
Die einzige Lösung wäre die Clubs und ihre Vertreter zu entmündigen und die Entscheidungsmacht einem unabhängigen und unparteiischen Verbandsgremium zu übergeben. Dieses könnte Entscheidungen dann im Gesamtinteresse des Schweizer Eishockeys und spannendem, ausgeglichenem und fairem Sport treffen. Leider ist ein solches Szenario sehr unrealistisch. Ich hoffe aber schwer, dass sich unser Verein nicht von der sehr kurzfristigen Sicherheit eines Nicht-Abstieg blenden lässt und sich gegen diese Vorstösse aussprechen wird.
Aus aktuellen Anlass habe ich einen Beitrag zum Thema, den ich im April geschrieben habe, herausgesucht. Viele Dinge die ich vor Monaten kritisiert hatte, sind genau so eingetroffen beziehungsweise von den Klubvertreter in die entsprechende Richtung vorangetrieben worden:
1. Das NHL-Abkommen mit Zusatzausländerregel wurde tatsächlich eingeführt. So wie es aussieht wird dieser hirnrissige Dünnpfiff aber bald wieder Makulatur mit der Einführung von 10 Ausländer.
2. Der Salaray-Cap (oder Financial Fairplay) wird hoffentlich kommen; auch wenn der ein oder andere Grossklub dagegen sein wird. Ich hoffe, dass die Liga dadurch wirklich ausgeglichener wird und es endlich Mal ein paar neue Meister geben wird. Und wenn der SCRJ damit tatsächlich in ferner Zukunft einmal um einen Meistertitel spielen sollte, kann ich in Frieden sterben.
3. Die Ligaschliessung wird trotz zahlreicher Risiken und Negativbeispielen (Stichwort DEL) hächstwahrscheinlich eingeführt. Sehr heuchlerisch und lächerlich für mich wie ein Zahner Abstiegsangst schürrt, obwohl sein Zätt in den letzten - und wahrscheinlich auch nächsten - 25 Jahren soviel mit dem Abstieg zu tun hatte, wie unser SCRJ mit dem Meistertitel. Meiner Meinung nach wird man nach einigen Jahren merken was für eine Schwachsinn man da fabriziert hat. Es wird aber den ein oder anderen Konkurs eines übermütigen Vereins oder eines abgeschlagenen Schwanzteams benötigen bevor man zur Besinnung kommen wird. Ich hoffe inständig, dass es unseren geliebten SCRJ nicht treffen wird.
4. Entwicklungen in der NLB. Die einzige positive Nachricht in den letzten Monaten war, dass sich die NLB nach der Abstaltung der NLA ebenfalls selbstständig macht und dadurch die Farmteams (ausser GCK) abstossen konnte. Diesen Move hatte ich nicht erwartet, er war aber nötig um sich aus der reinen Stillhalter-Rolle aufgrund der Stimmrechtsverteilung zu lösen.
PS:
Der Erhöhung des Ausländerkontingents auf 10 stehe ich grundsätzlich eher skeptisch entgegen. Für das Schweizer Eishockey als Gesamtprodukt und unseren Nachwuchs wird das langfristig unabsehbare negative Folgen haben.
Unserem Verein eröffnet die Lockerung aber nie dagewesene Möglichkeiten. Bei den Schweizer Topspielern (ca. Top 50) haben und hatten wir als kleiner Verein mit beschränkten finanziellen Mitteln und geringen sportlichen Perspektiven seit jeher sehr schlechte Karten. Die einzige Möglichkeit mit finanzstärkeren Teams mitzuhalten, sind überdurchschnittliche Ausländer. Wenn wir weiterhin ein gutes Gespür für starke Imports haben (und das traue ich Steinmann durchaus zu), können wir mit 10 mehrheitlich starken Ausländer unser Manko bei den CH-Spieler zusätzlich stopfen. Bei einem Salary-Cap könnten wir das eingesparte Geld bei den Schweizer Spieler für starke Ausländer einsetzen (anstatt 3. oder 4. klassige Schweizer Lückenfüller zu vergolden).