Akt. 15.10.08; 07:55 Pub. 15.10.08; 07:53
SCB: Die bestrafte Arroganz
Arroganz wird im Mannschaftsport eher früher als später bestraft. Die Schweiz verliert 1:2 gegen Luxemburg. Der SC Bern wird von den Lakers 2:3 gedemütigt. Ziehen die Berner aus dieser Blamage die richtigen Schlüsse, können sie die Meisterschaft gewinnen. Schätzen sie die Situation falsch ein, geraten sie in die grösste Krise in der Aera von Marc Lüthi.
Überraschende Resultate gehören im Eishockey zum Alltag der Liga. Entscheidend ist nicht, ob eine Mannschaft eine schlimme Niederlage kassiert. Entscheidend ist die Reaktion auf eine Pleite.
Der SCB hat sich seit dem 30. September eine ganze Serie von Schandspielen geleistet: 1:8 gegen die Rangers, 2:5 gegen Lugano, 2:6 gegen HV 71 und nun 2:3 gegen das Liga-Schlusslicht Lakers.
Die Reaktion von SCB-Trainer John van Boxmeer auf die Niederlage gegen die Lakers war ein Zornausbruch, der dem legendären Auftritt von Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni am 30. März 1998 («ich habe fertig») nahe kommt.
Mit hochrotem Kopf liess eine Viertelstunde nach der Partie seinem Zorn freien Lauf. Ich habe in 25 Jahren noch nie einen Trainer so Klartext reden hören. In weniger als fünf Minuten brauchte er in seinen Ausführungen mehr als 30mal das populäre nordamerikanische Schimpfwort, das mit «f» beginnt und «uck» aufhört und über zehnmal den Ausdruck «Pferdemist».
Seine Kernaussagen, bereinigt von Kraftausdrucken und zu starkem Tobak: «Nur drei Spieler - Alex Chatelain, Pascal Berger und Marc Reichert - haben ihren Job gemacht.» - «Es ist kein Problem der Schweizer Mentalität. Auch die ausländischen Spieler waren null und nichts.» - «Wir haben diesen Gegner nicht ernst genommen.» - «Wir haben gespielt wie eine Mannschaft von Weichlingen.»
Und so weiter und so fort. Und dann packte ihn noch einmal der Zorn, weil ihm in den Sinn kam, dass er ja am Mittwoch die Spieler im Training nicht zusammenstauchen kann. «Meine Nationalspieler müssen ja zur Verbandspressekonferenz.»
SCB-General Marc Lüthi erhöhte den Unterhaltungswert der Rappi-Schmach ebenfalls mit einem Wutausbruch. Er untersagte eine Ehrung des besten SCB-Spielers und so wussten zum ersten Mal seit Einführung dieses schönen Brauches die Fans nicht, wer denn nun der beste SCB-Spieler war.
Diese heftigen Reaktionen zeigen, dass die Führung des grössten Eishockeykonzerns im Lande spürt, dass etwas nicht mehr stimmt. Dass die Nerven blank liegen.
Dem SCB geht es wirtschaftlich zu gut und macht, wie die Rangers und Toronto in der NHL, zu viel Kohle mit zu wenig sportlichem Erfolg. 30 Millionen setzt die SCB Sport AG mit ihren Tocherfirmen und 17 Beizen um. Dreimal mehr als jedes andere NLA-Unternehmen.
Verstärkt wird die Arroganz im Herbst 2008 durch Überforderung. Das SCB-Management ist mit dem Umbau der PostFinance-Arena und der Teilnahme an der European Champions League an die Grenzen der Belastbarkeit gestossen. Marc Lüthi, letztlich auch verantwortlich für den Spielbetrieb und für die gesamte Gastronomie im Stadion, hat den Laden nicht mehr im Griff.
Beispiele von Arroganz
Eine knappe halbe Stunde nach dem Spiel möchten ei paar Matchbesucher in der Stadionbeiz an der Stehbar noch einen Kaffee trinken. Eine nette Frau zählt aufreizend langsam die Tageseinnahmen bis sie sich schliesslich geruht, sich den Störefrieden zu beachten. Ihre coole, höfliche Antwort: «Wir haben die Kafeemaschine schon geputzt, versuchen Sie es bitte an einem anderen Ort.»
Die meisten Türen zum Stadionrestaurant werden eine halbe Stunde nach Spielschluss verriegelt. Trauben von Menschen, die noch Einlass begehren, da sie hinter den Glasscheiben ihre Kollegen im Restaurant sehen und nicht mehr hineinkommen. Andere werden unwirsch, weil sie erst nach mehrmaligem Anrennen doch noch eine offene Türe finden um die Beiz zu verlassen.
Als der SCB noch auf jeden Kunden angewiesen war und sich Marc Lüthi um alle Details kümmerte, blieb die Stadionbeiz bis weit nach Mitternacht geöffnet. Ja, es war cool, erst nach dem Spiel ins Stadion zu kommen und sich in den Stadion-Restaurants und -Bars mit Feunden zu treffen.
Und auf sportlichem Gebiet zeigen sich ebenfalls Arroganz und Verwahrlosungs-Tendenzen.
Wann immer ein Spieler das SCB-Dress trägt, muss er dazu angehalten werden, ein Maximum zu leisten. Nichts ist in einem Sportunternehmen wichtiger als die Leistungskultur. Niemals darf es ein Trainer dulden, dass ein Spiel nicht ernst genommen wird. Und passiert es doch, dann ist es die Aufgabe des Managements, den Larifari-Betrieb zu beenden.
Nicht das Resultat im Schandspiel gegen die Rangers ist das Problem. Sondern die miserable Einstellung der Spieler, die diese Partie als Bewegungsübung hinter sich brachten bzw. bringen durften.
Die SCB-Führung hat noch genügend Zeit, den Laden wieder in Griff zu bekommen und die Meisterschaft zu gewinnen. Unterschätzt Marc Lüthi hingegen die Situation, rauscht er in die grösste Krise seit seiner Amtsübernahme am 1. Juni 1998.
Klaus Zaugg, 20 Minuten Online
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Naja, Klaus wie er leibt und lebt...
@TsaTsa: Danke
