"War on Ice" - Playoff-Kriegsführung made in Bern/Genf
Von Martin Merk
Wenn man den Vorzeichen Glauben schenkt, werden diese Playoff-Viertelfinals alles Bisherige in den Schatten stellen. Drohungen werden bereits auf der Chefetage ausgesprochen, dass mancher Verbandsfunktionär den Kopf schüttelt. Und Abfallprodukte aus der alten NHL werden nochmals als Waffe kampftüchtig gemacht. Der SC Bern und Genf-Servette setzen ihre Serie in den Mittelpunkt der Eishockey-Schweiz.
Die Serie zwischen dem SC Bern und dem Genf-Servette HC kann als Antipode zur Eisgala "Art on Ice" gesehen werden. Statt Eiskunst werden Action, Prügel und Hiebe angekündigt. "Hoffentlich gibt es für die Fans ein paar Schlägereien", wird Berns Geschäftsführer Marc Lüthi in der Presse zitiert. Servette soll ja schliesslich nicht umsonst ausgewählt worden sein von Lüthi, der massgeblich an der Einführung des umstrittenen Playoff-Auswahlverfahrens beteiligt war, als er vor allem die NLB-Clubs mit hoher Medienpräsenz locken konnte. Geht es nach dem SCB-Boss, so sollen die Berner gleich von Beginn an Vollgas geben und nicht den angenehmsten Gegner erhalten. Doch nicht nur der SC Bern lässt es gerne rumpeln, sondern auch der Kontrahent. Seit Chris McSorley die Genfer in die NLA geführt hat, ist man für physisches Spiel und blaue Flecken berühmt. Schliesslich hat der Kanadier mit Bruder Marty einen der berühmtesten NHL-Goons aller Zeiten in der unmittelbaren Verwandtschaft. McSorley und seine Spieler gehören zu den grössten Arbeitgebern des Einzelrichters.
Die Berner Wunschpaarung wird vom Club als Marketing-Instrument bestens ausgenutzt. Ein "War on Ice", Krieg auf dem Eis, wird schon beinahe angekündigt. "Die Genfer haben den Charme eines Panzers und die Ausstrahlung eines Weissen Hais", so Lüthi über seinen Wunschgegner. Medial setzt man sich bestens in Szene. Auch dass in den amerikanischen Minor Leagues der McSorley und der SCB-Trainer John van Boxmeer schon gehässige Bandenduelle hatten, wird wieder aufgefrischt und aufgelebt. Die Rivalität soll bis zum Gehtnichtmehr aufgebaut werden. "Lüthi hat mich sogar angerufen um mitzuteilen, dass er mir kein Glück wünscht", so McSorley. Der als impulsiv geltende Trainer musste in Hitze des Gefechts auch schon desöfteren auf die Tribüne wandern und wird gegen Bern unter Hochdruck stehen. Vor dem Duell der physisch als am gröbsten geltenden Teams war er noch überzeugt, dass der SCB ihn ausweichen würde: In der letzten Runde überliess er seinem Assistenten Hans Kossmann, als Spieler auch kein Kind von Traurigkeit, das Coaching und beobachtete den vermeintlichen Viertelfinalgegner Zug.
Doch im Vorfeld des "War on Ice" wird nicht nur psychologische Kriegsführung betrieben und die Medien instrumentalisiert, sondern auch das Arsenal gerüstet. Kampfkraft und Hinterlistigkeit dürfte ebenso zum Repertoire gehören wie optische Präzisionskunst, wie etwas McSorleys Adlerauge, dem kein Grad eines zu stark gebogenen Stockes verborgen bleibt, um eine Strafe wegen unkorrekter Ausrüstung herauszuholen. Die Drohung, mit Schlägen den Gegner einschüchtern und die Fans unterhalten zu wollen, setzt der SCB auch schon in der Tat um. Mit Nathan Perrott wurde ein klassischer "Goon" geholt, dessen Einsatzziel insbesondere aus Einschüchtern und Hiebe bestehen soll. Diese Rolle war im zugeschnitten, denn für die NHL genügte er weder technisch, noch läuferisch. Die Zeiten der neuen Regelauslegung machen es Spieler wie ihm noch schwieriger, weshalb er nicht einmal mehr für die AHL genügte. Er und der ebenfalls neuverpflichtete tschechische Verteidiger Michal Barinka haben die Masse, um gar Servettes Riese Goran Bezina zu verdrängen. Die NHL hingegen saugt heute lieber den Markt an technisch versierten Spielern à la Nummelin und Peltonen leer. Nun bedient sich mit dem SC Bern umgekehrt ein europäischer Club mit den "Abfallprodukten" der alten NHL. Der als Schläger auf nordamerikanischem Eis gefürchtete Kanadier war bereits drauf und dran ins Amateurboxen einzusteigen. Seine Premiere im Schwergewicht für Samstag sagte er ab - und wird am selben Abend in der BernArena zuschlagen dürfen. Alles andere würde die Zuschauer nach den bisherigen Ankündigungen enttäuschen. Die vermeintliche Wichtigkeit dieser Serie wird derart hochgeputscht, dass die Kantone Freiburg und Waadt im Röstigraben zu versinken drohen, Bern und Genf bald nur noch per Luftbrücke miteinander verbunden sind.
Mit solchen Marketing-Gags, wie sie der SC Bern betreibt, soll nun jener Aspekt des Eishockeys beworben werden, den viele lieben: Die raue, aggressive Gangart, die man aus der NHL vor dem Lockout kannte. Was viele Fans und viel Medienpräsenz anlocken wird, ist vielen Funktionären ein Gräuel, welche diesen Bestandteil vom Eishockey-Sport fernhalten wollen. Nicht umsonst wird in Europa für Schlägereien neben der Fünfminutenstrafe auch eine Spieldauer-Diszplinarstrafe ausgesprochen, welche im Wiederholungsfall Sperren mit sich ziehen kann. In Nordamerika wird darauf, also auf 20 Minuten mehr in der Statistik, verzichtet - trotzdem brachte es der polarisierende Neuzuzug Perrott auf bis zu 307 Strafminuten in einer Saison. Eine Abschaffung der harten Bestrafung bei Schlägereien zu Gunsten der Unterhaltung ist in Europa nur bei Fans ein Thema. "Eishockey ist kein Zirkus und kein Prügelsport", äusserte sich einmal der IIHF-Präsident René Fasel in einer Diskussion zum Thema, "wie sollten Eltern ihre Kindern ruhigen Gewissens an Eishockey-Spiele schicken, wenn ständig geprügelt würde?" Nicht nur ihm dürfte das Image "War on Ice", das Bern und Servette um ihre Serie aufbauen, ein Dorn im Auge sein.
Im Zirkus BernArena kümmert dies die Teilnehmer jedoch herzlich wenig. Die Fans sollen sehen, was der Club ankündigt und werden zur Heimmacht emotionalisiert. Dass der Zirkus BernArena wohl einmal mehr einer Müllhalde gleichen wird, wenn den Bernern unliebsame Entscheide mit Wurfgegenstände quittiert werden, oder es nicht nur auf dem Eis zu Prügeleien kommt, dürfte jedoch nicht erstaunen, wenn die Gewaltanwendung bei den Clubs vom Chefsessel aus derart offenherzig verherrlicht wird. Dass man dann im Nachhinein wie immer alles Mögliche getan haben will, um eben Solches zu vermeiden, versteht sich natürlich von selbst. Bleibt zu hoffen, dass sich die von den Clubs angekündigten "Kriegsschauplätze" auf dem Eis in Bern und Genf beschränken.
hockeyfans.ch

da kann ich nur sagen; her mit den wasserschläuchen

Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht.