Dino Kessler sieht ,dank, der hirnrissigen Ligareform auch schwarz für die Nachwuchsabteilungen und die Zukunft des Schweizer Eishockeys
Das wars wohl mit Medaillen und den Träumen vom WM-Titel. Alle Macht dem Zaster – die National League lässt mit ihrer Geldgier Verband und Nationalmannschaft schrittweise ausbluten.
Wenn sich die National League im Frühjahr auch formell vom Schweizer Eishockeyverband (SIHF) trennt, ist das nur noch der finale Akt einer Scheidung auf Raten. Ideologisch haben sich Klubs und Verband längst voneinander verabschiedet. Was geplant oder beschlossen wird, erfährt die Gegenseite längst nur noch aus der Presse.
Warum die Spaltung? Geld. Mit dem lukrativen neuen TV-Vertrag stiegen die Einkünfte der Vereine in einem ersten Schritt von einer halben auf 1,6 Millionen Franken pro Saison. An diesem Vertrag partizipiert auch der Verband mit seinem Nationalmannschafts- und Ausbildungsprogramm.
Im Gleichschritt mit den steigenden Einnahmen trieben die Klubs allerdings stets auch die Lohnkosten in die Höhe. Bald wurden die Stimmen lauter, die einen immer fetteren Anteil der TV-Gelder für die Klubs forderten, die Tonlage verschärfte sich zuletzt bis zur Unversöhnlichkeit. Der Verwaltungsapparat der Geschäftsstelle in Glattbrugg sei aufgeblasen, die Kosten für die Nachwuchsprogramme und Profi-Trainer viel zu hoch.
Nachwuchs-Programme wieder gestrichen
Die Geldgier und der Tunnelblick eines Grossteils der NL-Klubbosse führte zuletzt dazu, dass die seit wenigen Jahren laufenden Massnahmen zur Förderung der U16-Generationen mit Stützpunkt-Trainings wieder gestrichen werden mussten. Eingeführt wurden diese einst, um die Lücken im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz auf diesen Stufen zu schliessen.
Mit der Gründung der eigenen AG macht die National League einen Schritt in die Unabhängigkeit, und damit auch in eine ungewisse Zukunft. Das gut florierende Produkt soll um jeden Preis reformiert werden, und nur schon bei der Diskussion um die Anzahl der Ausländer wurde zuletzt deutlich, wie wenig Rücksicht die Klubs auf die Interessen der Nati und die Gesamtinteressen des Schweizer Eishockeys nehmen. Weniger Schweizer Spieler in tragenden Rollen – das führt früher oder später zum Substanzverlust für die Nationalmannschaft und macht es schwierig, den Nachwuchs überhaupt noch für Eishockey zu begeistern. Das interessiert die Klubbosse aber genauso wenig wie Aussagen von NHL-Stars wie Roman Josi (der sinnigerweise ein Mandat im SCB-VR hat) oder das Votum einer deutlichen Mehrheit der bezahlenden Kunden.
Ab der Saison 2022/2023 können sieben Ausländer eingesetzt werden, Lizenzschweizer verlieren ihren Status in Zukunft mit der Vollendung des 22. Altersjahres und belasten dann das Ausländerkontingent. Ein Entscheid, den Nati-Coach Patrick Fischer nicht versteht: «Trotz massivem Gegenwind aus allen Richtungen wurde das durchgeboxt. Warum hat man nicht erstmal versucht, mit dem Financial Fairplay die Kosten in den Griff zu bekommen?»
Bei der National-League-AG ist der Wille zum bedingungslosen Alleingang inzwischen weitaus grösser als die Bedenken, den Verband und die Nationalmannschaft damit kompromisslos ins Abseits zu stellen.
Der Irrglaube: Wir sind zu gross, um zu scheitern
Offenbar teilen die Klubs und der servile Geschäftsführer Denis Vaucher in ihren Allmachtsphantasien die Meinung, dass ihr Produkt zu gross sei, um scheitern zu können. Too big to fail? Das können neben den US-Profiligen wohl höchstens die Fussballer von sich behaupten.
Lustigerweise tickt die Gegenseite etwas anders. Nati-Direktor Lars Weibel sieht die Hauptverantwortung für das Wohlergehen des Schweizer Eishockeys trotz allem beim Verband: «Wir müssen darum bemüht sein, das Gesamtprodukt zu stärken und zu pflegen, auch wenn sich die National League mit der Gründung der Aktiengesellschaft selbstständig macht.» Die Kosten für den Unterhalt dieser AG dürften indes nur geringfügig kleiner sein als der bisherige Anteil, der an den Verband entrichtet wurde. Falls überhaupt.
Mit der Aufteilung des Gesamtprodukts «Schweizer Eishockey» wird das sportliche Angebot auf dem Markt auf einen Schlag verdreifacht (National League, Swiss League, SIHF), während der Pool möglicher Sponsoren- und Vertragspartner in absehbarer Zukunft kaum wachsen dürfte.
Verband und Nationalmannschaft verlieren nach dieser Saison den Vertrag mit der Zurich Versicherungen, dazu stehen Rückforderungen von Sponsoren und Partnern im Raum, weil die Nationalmannschaft vertraglich vereinbarte Freundschaftsspiele und Turniere nicht durchführen konnte. Nati-Direktor Lars Weibel beziffert diese auf 2,5 Millionen Franken.
Nur Almosen für die Nati
In Zukunft wird der Verband noch mehr auf den Goodwill der National-League-Klubs angewiesen sein. Ob und wie stark die Diskussionen und die Reformen und die Zerstrittenheit der einstigen Partner das Gesamtprodukt schon sabotiert haben, wird sich zeigen. Der im Sommer 2022 auslaufende TV-Vertrag wird in Einzelteilen bald ausgeschrieben. Dass die National League den Nationalmannschaften mehr als Almosen aus den eigenen Einkünften abgeben wird, ist sehr unwahrscheinlich.
Wie sehr die Termine der Nationalmannschaft in Zukunft unter Druck geraten werden, lässt sich wohl erst abschätzen, wenn die Pandemie ausgestanden ist. Mit Grabenkämpfen ist zu rechnen, die National League wird den Spielplan wohl bis zur absoluten Schmerzgrenze auswalzen, obwohl die aus Sicht der Fans schon längst durchbrochen wurde. Was die Klubbosse der National League von der öffentlichen Meinung halten, beweist allerdings der letzte Entscheid bezüglich Ausländerkontingent: Nichts.
WM-Finals mit Patrick Fischer? Eine starke Nati auf Tuchfühlung mit den Besten der Welt? Von diesem Gedanken kann man sich verabschieden.